Der Kommentator Clive Everton
Clive Everton, eine der bedeutendsten und angesehensten Stimmen im Snooker, verstarb im Alter von 87 Jahren und hinterlässt eine reiche und tiefgreifende Geschichte, die sich über Jahrzehnte erstreckt und den Sport maßgeblich geprägt hat. Everton widmete fast sein gesamtes Leben dem Snooker sowie dem Billiard und war sowohl als Spieler als auch als Kommentator, Journalist und Verleger von unschätzbarem Wert für die Snooker-Gemeinschaft. Durch seine Leidenschaft, Hingabe und seine journalistische Integrität hat er eine unschätzbare Rolle in der Entwicklung und Professionalisierung des Sports gespielt.
Evertons Einfluss auf Snooker erstreckte sich weit über seine Rolle als Kommentator hinaus. Geboren 1937, hatte er früh seine ersten Erfolge als Billiard-Spieler. Schon als Jugendlicher gewann er 1952 die britische Meisterschaft im Billiard für unter 16-Jährige und im Alter von 22 Jahren auch die walisische Billiard-Amateurmeisterschaft. Doch obwohl er auf dem Tisch erfolgreich war, blieb seine größte Leidenschaft immer die Förderung und das Kommentieren des Sports.
Aufstieg als Journalist und Pionier im Snooker
Nachdem er sein Englischstudium an der Cardiff University abgeschlossen hatte, war es für Clive klar, dass seine Liebe zum Sport und insbesondere zum Snooker über das bloße Spiel hinausging. Seine wahre Stärke lag darin, die Geschichten hinter dem Sport aufzudecken und zu berichten. 1966 wurde er zum Chefredakteur des Magazins Billiards and Snooker ernannt, das Magazin der Billiard Association and Control Council. Hier begann er, seinen unverwechselbaren Stil als unabhängiger Denker zu entwickeln, der nicht immer den bestehenden Mächten im Snooker gefiel. Seine Ideen zur Berichterstattung und seine Art, die Dinge zu hinterfragen, führten 1971 dazu, dass er sein eigenes Magazin gründete: Snooker Scene.
Snooker Scene wurde nicht nur zu einem zentralen Organ für Nachrichten und Berichterstattung über Snooker, sondern auch zu einem Sprachrohr für Clives kritischen und investigativen Stil. Er analysierte nicht nur die Spiele und Spieler, sondern setzte sich kritisch mit den Strukturen und den Entscheidungen auseinander, die hinter den Kulissen getroffen wurden. Sein Ziel war es, eine detaillierte Chronik des Sports zu führen und dabei nicht nur das sportliche Geschehen, sondern auch die Verwaltung und Organisation des Snookers zu beleuchten. In einer Zeit, in der Snooker noch nicht die heutige Medienpräsenz hatte, bot Snooker Scene eine wertvolle Informationsquelle und einen ersten Entwurf der Geschichte.
Der Kommentar-König des Snookers
Als Kommentator wurde Clive Everton schnell zu einer festen Größe. Seine kristallklare, prägnante Sprache, die er oft mit trockenen und scharfsinnigen Beobachtungen würzte, machte ihn zu einem der beliebtesten Kommentatoren des Sports. 1978 begann er bei der BBC mit der Kommentierung der Snooker-Weltmeisterschaft, und von diesem Zeitpunkt an wurde seine Stimme mit vielen der denkwürdigsten Momente des Spiels in Verbindung gebracht. Seine Einsätze am Mikrofon waren geprägt von Genauigkeit und einem tiefen Wissen über das Spiel. Clive wusste genau, wann es angebracht war, zu sprechen, und vor allem, wann es besser war, die Stille des Raumes und die Spannung des Spiels wirken zu lassen.
Seine berühmten Zitate – wie „Warning: genius at work“, als er ein Century von Jimmy White kommentierte, oder „Amazing, astonishing, astounding“, als Shaun Murphy 2005 die Weltmeisterschaft gewann – bleiben in den Köpfen der Snooker-Fans unvergessen. Diese Sätze fassen seine Fähigkeit zusammen, die Magie eines Moments mit nur wenigen, aber perfekt gewählten Worten einzufangen.
Sein unermüdlicher Einsatz für Snooker und Billiard
Doch es war nicht nur seine Rolle als Kommentator und Journalist, die Clive zu einer so bedeutenden Figur machte. Er kämpfte leidenschaftlich für den Sport. Als er in den 1960er Jahren die Leitung der British Junior Championship übernahm, die eingestellt worden war, gab er dem Wettbewerb neues Leben. Ebenso war er maßgeblich an der Gründung der International Billiards and Snooker Federation beteiligt. Clive trieb die Förderung des Billiard-Sports ebenso voran wie die des Snookers und versuchte, beide Disziplinen durch seine journalistische Arbeit und seine aktive Rolle im Sport auf der Weltbühne zu etablieren.
Ein weiteres Beispiel für Clives Pionierarbeit war seine Mitwirkung bei der Schaffung des Benson & Hedges Masters. 1975 half er dabei, die erste Ausgabe dieses prestigeträchtigen Turniers ins Leben zu rufen, das heute als eines der größten Events im Snooker-Kalender gilt. Seine Bemühungen, Sponsoren und die Medien für Snooker zu begeistern, trugen entscheidend dazu bei, dass der Sport in den 1970er und 80er Jahren immer mehr an Bedeutung gewann.
Kritischer Beobachter der Sportpolitik
Clive Everton war bekannt dafür, dass er sich nie scheute, kritische Fragen zu stellen und Missstände im Sport anzuprangern. Als Chefredakteur von Snooker Scene war er oft ein Dorn im Auge der Verantwortlichen des Spiels, da er sich vehement für Reformen und Transparenz einsetzte. Sein investigativer Stil brachte ihm im Laufe der Jahre viele Gegner, aber auch viel Respekt ein.
Obwohl er kurzzeitig selbst im Vorstand der World Professional Billiards and Snooker Association (WPBSA) tätig war, verstand er, dass seine Rolle als journalistischer Beobachter und Kritiker für den Sport wichtiger war. Seine unermüdliche Arbeit, das Spiel und seine Verwaltung zu überwachen und zu hinterfragen, führte zu verschiedenen rechtlichen Auseinandersetzungen, doch Clive blieb stets standhaft. Er setzte sich weiterhin für die Verbesserung des Sports ein und begrüßte 2010 die Ernennung von Barry Hearn zum Vorsitzenden der WST als Wendepunkt in der Geschichte des Snookers.
Persönliche Herausforderungen und spätere Jahre
Clive Evertons Engagement für Snooker war nicht ohne Opfer. Er litt unter depressiven Phasen und hatte Schwierigkeiten, sich von der Arbeit zu lösen. Seine Leidenschaft für den Sport war so groß, dass er oft Schwierigkeiten hatte, einen Ausgleich zwischen seinem Berufs- und Privatleben zu finden. Auch technologische Entwicklungen machten ihm das Leben schwer – er zog es lange vor, seine Artikel handschriftlich zu verfassen und sie telefonisch an Zeitungen zu diktieren, bevor er schließlich lernte, einen Computer zu benutzen.
In den späteren Jahren seines Lebens verschlechterte sich Clives Gesundheit. Er wurde in den 80ern mit Parkinson diagnostiziert, eine Krankheit, die seine körperliche Leistungsfähigkeit zunehmend einschränkte. Dennoch gab er seine Arbeit nicht auf. Im Jahr 2022, nach mehr als 50 Jahren, trat er schließlich als Chefredakteur von Snooker Scene zurück, da ihm die Krankheit das Schreiben unmöglich machte. Aber seine Liebe zum Snooker ließ nie nach. Auch wenn er nicht mehr aktiv am Geschehen teilnehmen konnte, verfolgte er die Turniere von zu Hause aus und schrieb weiterhin gelegentlich Artikel für das Magazin.
Eine lebende Legende und Ehrungen
Clive Everton wurde für seine Verdienste um den Snooker-Sport mehrfach ausgezeichnet. 2017 wurde er in die WST Hall of Fame aufgenommen, eine Anerkennung seiner außergewöhnlichen Beiträge zur Entwicklung des Sports. Zwei Jahre später wurde ihm der MBE (Member of the Order of the British Empire) verliehen, eine weitere bedeutende Ehre für seine Leistungen im Snooker und Billiard.
Im Jahr 2022 wurde die Trophäe der British Open nach ihm benannt – eine besonders passende Ehrung, da sie den Spielern des Sports gewidmet ist, dem Clive sein ganzes Leben gewidmet hat.
Ein bleibendes Erbe
Clive Everton wird als einer der größten Förderer des Snookers und Billiards in Erinnerung bleiben. Seine Arbeit als Kommentator und Journalist hat nicht nur die Art und Weise geprägt, wie über Snooker berichtet wird, sondern auch den Sport selbst nachhaltig verändert. Sein kritischer und investigativer Stil, seine Fähigkeit, die Geschichten hinter den Spielen zu erzählen, und seine unermüdliche Leidenschaft für den Sport haben ihn zu einer der wichtigsten Persönlichkeiten der Snooker-Welt gemacht.
Nach seinem Tod haben zahlreiche Snooker-Spieler und Kollegen ihre Anerkennung für Clives Arbeit zum Ausdruck gebracht. Neil Robertson, Shaun Murphy, John Higgins und viele andere Snooker-Stars erinnerten sich an die Bedeutung von Clives Stimme und seinen Einfluss auf ihre Karrieren. Sie lobten seine Fähigkeit, das Drama eines Spiels einzufangen, seine unerschütterliche Liebe zum Sport und seinen tiefen Einfluss auf die Snooker-Welt.
Evertons Tod bedeutet einen schweren Verlust für den Snooker-Sport, aber sein Erbe wird durch die vielen Jahrzehnte seiner Arbeit weiterleben. Er bleibt als die „Stimme des Snookers“ in den Herzen und Gedanken der Fans und Spieler gleichermaßen unvergessen.
Clive Everton hat der Welt des Snookers und Billiards unermessliche Dienste erwiesen, und sein Tod markiert das Ende einer Ära, aber die Früchte seiner Arbeit werden noch viele Jahre weiter blühen.
Textquelle: wst . tv