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Die besten Deutsche Snooker Spieler aller Zeiten

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Die besten Deutsche Snooker Spieler aller Zeiten

Lasse Münstermann einen hat Snookersong geschrieben
Lasse Münstermann war der Erste. Der erste Deutsche, der es als Profi in der großen weiten Snookerwelt versuchte: drüben in England, bei den Stars, auf den großen Turnieren. Dass es nicht ganz gereicht hat – Schwamm drüber.

Ein toller Spieler, sagt Bundestrainer Thomas Hein sofort, wenn er auf Münstermann zu sprechen kommt. Der Göttinger mit dem Lockenkopf, geboren 1979, hätte es auch fast geschafft. Ein Sieg bei der zweitklassigen Eurotour brachte Münstermann für die Saison 2000/2001 das Ticket für die Main Tour. Durch jahrelange Arbeit, Schweiß und auch investiertes Geld hatte er den Abstand zu den besten Spielern von der Insel derart verkürzt, dass er sich mit ihnen messen durfte. Ganz schließen konnte er die Lücke jedoch nicht: Zu Saisonbeginn bei den British Open scheiterte er in der ersten Runde an Sean Storey. Beim Grand Prix besiegte er zwar Andrew Higginson, scheiterte in der zweiten Runde aber mit 0:5 an Mick Price. Auch bei der darauffolgenden UK Championship und den China Open setzte es mit 0:5 und 1:5 ernüchternde Erstrundenniederlagen. Bis zum Saisonende sammelte er zu wenige Punkte, um sich für ein weiteres Jahr zu qualifizieren. Er war wieder draußen.

Mit elf Jahren war Münstermann als Jugendlicher zum Billard gekommen. Es brauchte nicht mehr als einen Kegelbillardtisch, der im Familienurlaub in Dänemark herumstand. Münstermann spielte gegen seinen Vater, der ursprünglich Karambolagespieler war, und sah auf Anhieb, was er mit den Kugeln anstellen konnte. Wie sie laufen mussten, dass ihm nicht nur ein guter Stoß gelang, sondern er auch über eine Fortsetzung verfügte. Ein halbes Jahr versuchte er sich im Billard, ehe sich Münstermann dem Snooker zuwendete. Als Schüler und während seiner Berufsausbildung trainierte er eifrig weiter, Snooker war winzig damals in Deutschland, und der kleine Lasse laut eigener Aussage ein ziemlich seltsamer Junge, der lieber einem Exotensport nachging, anstatt wie alle anderen Fußball zu spielen. Er kaufte sich einen Snookertisch, und mietete eine kleine Wohnung, um genau diesen Snookertisch hineinzustellen. Seinem Abschluss folgte der Entschluss, es als Profi versuchen zu wollen. Er wollte sich auf den Weg zum Unerreichbaren machen.

Münstermann wurde mehrfacher Deutscher Meister und Team- Europameister, zusammen mit Sascha Lippe und Itaro Santos. Sein großes Ziel blieb aber tatsächlich unerreicht: Noch einmal, in der Saison 2006/07, stand er nur einen Sieg von der Qualifikation für die Main Tour entfernt, doch er unterlag im Halbfinale der Amateur- WM. Er war irgendwann zu lange dabei und auch zu alt, sagt Bundestrainer Hein über ihn. Knall auf Fall stieg Münstermann aus.

Was Münstermann der Snookerwelt hinterließ? Seine Geschichte, die junge, deutsche Spieler ermutigen sollte. Und immerhin den wohl einzigen deutschsprachigen Song über Snooker, im Jahr 2015 veröffentlicht und tatsächlich selbst gesungen. Hier eine textliche Kostprobe:

147, Foul and Miss

Blackball, Game und In-The-Frame

Jaja, und jetzt gleich wird’s super

Ab in den Keller, wir spielen Snooker

Der Tisch geputzt und glatt gebügelt Die Kugeln glänzen, jetzt wird geprügelt Erst ’ne Rote, dann ’ne Farbe In die Tasche, keine Frage.

Patrick Einsle gab sein Main-Tour-Ticket zurück
Irgendwann konnte sich Patrick Einsle gut einschätzen. Die vielen Reisen, die unsichere Perspektive, die finanziellen Sorgen – all dem wollte er sich nicht mehr aussetzen. Sportlich hatte sich Einsle zwar für die Main Tour2013/14 sowie 2014/15 qualifiziert, doch im März 2014 gab er das Ticket zurück.

Ein Snookerprofi, der nicht auf der Main Tour spielen will? Der Reihe nach. Dass aus Einsle einer hätte werden können, hatte sich früh abgezeichnet. Als Elfjähriger begann er mit Snooker. Schon mit 14 schaffte er sein erstes Century Break. Das Talent des jungen Manns aus Füssen schien so groß, dass Einsle mit 19 eine Wildcard für die Profitour erhielt. Seinem Einstieg ging jedoch ein trauriger Anlass voraus, denn Einsle erhielt 2006 jenes Main-Tour-Ticket, das Paul Hunter zugedacht war, der es wegen seiner Krebserkrankung aber nicht wahrnehmen konnte. Einsle merkte sportlich schnell, wo seine Grenzen lagen. Er war viel zu jung, verlor praktisch alle Spiele. Da lief sein zweiter Versuch schon besser: Nach drei Jahren als Amateur erhielt er für die Saison 2010/11 erneut eine Wildcard. Einsle war nun 23, er zog nach England, schlug bekannte Profis wie Peter Ebdon und Nigel Bond. Schaffte es bis auf Weltranglistenplatz 80. Er spielte die Saison aber nicht zu Ende, stieg im Dezember aus. Es ging ihm nicht gut.

Kritiker könnten anmerken, Einsle sei nicht tough genug gewesen für die Main Tour. Er ist am Druck gescheitert, sagt auch Thomas Hein, der Bundestrainer. Einsle selbst sagte: Es war ein ständiger Kampf. Statt mich auf den Sport zu konzentrieren, gingen mir ganz andere Dinge durch den Kopf. Das ständige Streben nach Anerkennung zermürbte ihn, schließlich wurde unter den weltbesten Spielern jeder kleine Fehler sofort bestraft. Auch die ständige Sorge, woher er Jahr für Jahr das Geld für das Profileben nehmen sollte, begleitete ihn. Einsle gehörte zu den Spielern am unteren Ende des Tableaus, sprich: Er konnte nicht automatisch mit üppigen Preisgeldern rechnen. Zwar hatte er irgendwann einen Sponsor, der ihm das Leben finanziell erleichterte, doch die Zweifel blieben.

Auch seinen dritten Versuch auf der Main Tour brach Einsle ab. Irgendwie hat mir das Gefühl gefehlt, die hundertprozentige Begeisterung, der letzte Biss, noch einmal neu zu beginnen. Ich bin nicht mehr Feuer und Flamme für Snooker, sagte er bei seinem Rücktritt. Sportlich hätte es Einsle vielleicht geschafft. Es war seine Psyche, die ihm einen Strich durch die Rechnung machte.

Lukas Kleckers ging völlig neue Wege
Auf nach Sheffield, zur berühmten Akademie – diesen Plan hatte sich Lukas Kleckers in den Kopf gesetzt. Der junge Snookerspieler wollte nach England, um dort von den Besten zu lernen, um es vielleicht irgendwann als Profi zu schaffen. Der Blick auf sein Bankkonto im Jahr 2014 verriet allerdings: Ebbe. Snookerprofi zu werden, das muss man sich auch leisten können.

Wird wohl doch nichts mit Sheffield? Kleckers war 18, als er sich diese Frage stellte. Und er beschloss, völlig neue Wege zu gehen. Er galt als sehr talentiert, als Rohdiamant, wie sie bei seinem Klub in Essen sagten, den es zu schleifen galt. Und er kannte die Geschichten von Lasse Münstermann und Patrick Einsle, den anderen deutschen Spielern, die es versucht hatten. Kleckers wusste, dass im deutschen Snooker auf Verbandsseite zu wenig Geld steckt, um einem Spieler wie ihm den Karrieresprung nach Sheffield zu finanzieren, dass es aber viele Fans und Gönner gibt, die es so gerne sehen würden, wie ein Deutscher auf der Main Tour mitspielt. Kleckers wurde dieses Kunststück von vielen Experten zugetraut: Schon mit 17 Jahren war er Deutscher Meister im Einzel. Als erster Deutscher erreichte er das Halbfinale der Amateur-Weltmeisterschaft, verlor dort jedoch.

Auf einer Website veröffentlichte Kleckers einen Text, drehte sogar ein kleines Video, in dem er ganz ungeniert um Geld bat. Die Idee: Wer Kleckers Geld spendet, ermöglicht ihm einige Monate unter besten Trainingsbedingungen an der Akademie in Sheffield. Crowdfunding in der Snookerszene sozusagen. Rund 6.000 Euro benötigte er für drei Monate. Die Reaktionen überwältigten ihn: Binnen kurzer Zeit hatte er die Tausender für die Aufnahmegebühr, Unterbringung und Verpflegung zusammen. Es kam sogar Geld von Leuten, die ich überhaupt nicht kenne, wunderte sich Kleckers. Viermal reiste Kleckers in den folgenden Monaten nach Sheffield. Jeweils für mehrere Wochen, einmal vier Wochen am Stück. Sehr intensiv sei das gewesen, erzählt er, aber die Zeit habe ihn definitiv besser gemacht. Nicht nur die Qualität der Tische faszinierte ihn, auch die Gegner: Ding Junhui ist fast immer da. Ronnie O’Sullivan hat auch vorbeigeschaut. Er fühlte sich nun gerüstet für die große Aufgabe, es auf die Main Tour zu schaffen.

Das glückte ihm im ersten Jahr noch nicht. Mehrfach stand er kurz davor, verlor aber entscheidende Matches, etwa bei der Europameisterschaft im Decider, im letzten Frame. Absolute Spitzenspieler sind immer dann am stärksten, wenn sie richtig unter Druck geraten, sagt da Rolf Kalb, der Snookerkommentator: Da muss Lukas hinkommen. Bei ihm scheint es mir so zu sein: Wenn der Druck am größten ist, ist er nicht mehr bei 100 Prozent, sondern nur noch bei 95. Für die WM 2015 und 2016 erhielt er jeweils eine Wildcard, schaffte es aber nicht ins Hauptfeld. Die Medien verfolgten Kleckers in der Zwischenzeit immer intensiver, was auch an seiner Kooperation mit dem Fernsehsender Eurosport lag. Der Traum von einem Deutschen auf der Main Tour, er lebte.

Das Sympathische an Kleckers’ Versuch war allerdings auch: Er probierte alles, ohne sich jedoch verrückt machen zu lassen. Er wollte sich ein paar Jahre geben in seinem Sport, und wenn es dann nicht klappte: Sei’s drum. Auf der Straße landen würde er nicht. Notfalls könnte er einfach, wie geplant, sein Maschinenbaustudium beginnen.

Rolf Kalb sagt immer Ihr/Euer
Seine Abmoderation unterscheidet sich nie, ganz egal, ob Rolf Kalb nun eine oder zwölf Stunden ununterbrochen am Mikrofon gesessen und seinen Zuschauern erklärt hat, welche dieser kleinen Kugeln nun eine herausragende oder eine weniger gelungene war. Kalb bedankt sich, verweist auf die nächsten Snooker-Sendetermine auf seinem Sender und verabschiedet sich mit den Worten: Ihr/ Euer Rolf Kalb.

Dahinter steckt eine gewisse Kauzigkeit, denn niemand sonst im deutschen TV verwendet diese Abschiedsfloskel; als könnte man einen Schrägstrich, einen Slash (/), tatsächlich verbalisieren. Aber sie zeugt auch von Bodenhaftung: Kalb ist Deutschlands einziger Snookerkommentator, zudem seit den späten Achtzigern bei den Turnieren dabei. Einer wie er hat viele Freunde unter seinen Zuschauern, für sie ist er Euer Rolf Kalb. Für alle anderen bleibt er in der Höflichkeitsform.

Kalb ist ein Unikat in der deutschen Fernsehlandschaft. Niemand anders steht so sehr für eine einzige Sportart, obwohl er zu Beginn seiner Karriere auch Tanzen, Rudern oder Basketball kommentiert hat. Spätestens als der Snooker-Boom Anfang der 2000er- Jahre Deutschland erreichte, gab es für ihn nur noch Snooker. Kalb bereist Jahr für Jahr die wichtigsten Turniere, er kennt sich aus in Sheffield, London oder York. Kalb schreibt auch Bücher, unterhält eine lebendige Twitter-Community, hat sein eigenes Blog (Kalbs Snooker Break). Er ist ein gewissenhafter Journalist alter Schule, der fast alles über seinen Sport weiß, sich aber dennoch tagelang auf ein Ereignis am heimischen Schreibtisch in Gütersloh vorbereitet. Seine Arbeit versteht er als Dienst an der Sportart. Kalb macht keinen Hehl daraus, dass er ein großer Fan ist – und seine Arbeit ein echtes Privileg. Ein Traumjob. Manche Spieler schätzt er mehr als andere, Ronnie O’Sullivan etwa, bei dem er meist pflichtschuldig darauf hinweist, dass man diesen ungehobelten Flegel nicht lieben muss. Aber wenn O’Sullivan vor seinen Augen am Tisch zaubert, kennt Kalb in seinen Superlativen kaum Grenzen. Dann ruft er laut und jubiliert; man stellt sich vor, wie sich Kalb erhebt und um seinen Kommentatorenstuhl tanzt, wenn O’Sullivan gerade ein Maximum Break gezaubert hat. Er verehrt diesen Spieler, jeder weiß es – und das macht auch nichts. Niemand würde Kalb Parteilichkeit vorwerfen. Für O’Sullivans Biografie hat er für den deutschen Markt sogar ein Vorwort verfasst.

Es ist wohl allein Kalb zu verdanken, dass Snooker im deutschen Fernsehen so gut funktioniert. Snooker ist eine eigene Marke, aber auch Kalbs Sendungen sind es. Ein seltsames Gefühl der Heimeligkeit macht sich breit, wenn Kalbs sonore Stimme aus dem TV-Gerät brummt. Die allermeisten seiner Anekdoten sind hochinteressant, da verzeihen es ihm echte Fans auch, wenn er für die Neuankömmlinge zum 147. Mal erklärt, was ein Foul oder ein Fluke ist. Einen besonderen Job erledigt er beim German Masters in Berlin, wenn Kalb neben seiner Tätigkeit als Kommentator auch noch als Hallensprecher fungiert. Manchmal wird es zeitlich eng, wenn ein Spiel kurzfristig eine Wendung nimmt, fixer beendet ist als prognostiziert. Dann übergibt er die letzten Momente der Moderation, hetzt runter ins Auditorium, um die Siegerehrung vorzunehmen. Nach den Matches muss er hier sogar Autogramme schreiben.

Nur um seine eigenen Fähigkeiten am Tisch ist es nicht sonderlich gut bestellt. Kalb findet, man muss nicht gut Snooker spielen können, um gut über Snooker reden zu können. Über seine eigenen Lochversuche hüllt er lieber den Mantel des Schweigens.

Datum: 01.09.2020

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