Snooker-Legende Dominic Dale Rekorde, Anekdoten und emotionale WM-Momente

Dominic Dale – Der Spaceman verabschiedet sich

Ein bunter Vogel im Alltag, ein Kämpfer am Tisch – so kann man Dominic Dale wohl am besten beschreiben. Nach über drei Jahrzehnten als Profi zieht sich der walisische Snookerspieler zurück von der großen Bühne. Mit 53 Jahren beendet Dale, den viele unter seinem Spitznamen „The Spaceman“ kennen, eine Karriere, die nicht nur von Erfolgen, sondern auch von Eigenwilligkeit, Stil und einer unverwechselbaren Persönlichkeit geprägt war.

Sein Weg begann 1992 – im selben Jahr wie Legenden wie Ronnie O’Sullivan, John Higgins und Mark Williams. Sie alle gehören zur berühmten „Class of ’92“. Auch wenn Dale nie in den Top 16 der Weltrangliste stand, reiht er sich in eine exklusive Gruppe ein: Nur 41 Spieler in der Snookergeschichte konnten mehrere Weltranglistenturniere gewinnen – Dale ist einer von ihnen. Seine größten Triumphe feierte er beim Grand Prix 1997 und den Shanghai Masters 2007. Und auch das Shoot Out 2014 – damals noch ein Einladungsturnier – konnte er für sich entscheiden.

Vom Ehrgeiz zur Stagnation – Ein stiller Wandel

Doch irgendwann begann sich etwas zu verändern. „Vor vier, fünf Jahren merkte ich, dass ich nicht mehr wirklich besser werden wollte“, sagt Dale heute mit bemerkenswerter Ehrlichkeit. Früher habe er ständig an seinem Spiel gefeilt – mit neuen Cues, veränderten Trainingsroutinen, immer auf der Suche nach dem gewissen Etwas. Doch mit dem Älterwerden veränderte sich die Einstellung: Der Innovationsdrang wich einer gewissen Zufriedenheit – oder vielleicht auch Müdigkeit.

Die Einführung einer Grundsicherung von 20.000 Pfund für alle Tour-Spieler durch die WST hielt ihn zunächst noch im Spiel. Eine Stunde Training pro Tag, fünfmal die Woche – das reichte, um mitzuhalten. Und als dann in der letzten Saison wieder gute Ergebnisse kamen, erhöhte er den Trainingsumfang auf rund 15 Stunden pro Woche. Doch der Preis war hoch: Carpal-Tunnel-Syndrom, Gelenkschmerzen, nachlassende Sehkraft – das Alter ließ sich nicht länger ignorieren.

Ein bewusster Abschied

„Das war der Punkt, an dem ich entschied: Diese Saison ist meine letzte.“ Die ständige Reiserei, die emotionale Achterbahnfahrt zwischen Sieg und Niederlage, die Einsamkeit der Hotelzimmer – all das war für Dale zunehmend belastend. „Es wirkt sich auf Beziehungen aus, auf das gesamte Leben. Irgendwann stellt man sich die Frage: Wie lange will ich das noch machen?“

Ganz loslassen möchte er den Sport dennoch nicht. Die Seniors-Tour, bei der frühere Profis gegeneinander antreten, soll für ihn künftig ein Ort der Freude und des Wettbewerbs bleiben – ohne Druck, aber mit Herz.

Neue Rollen abseits des Tisches

Dominic Dale ist jedoch mehr als nur ein Spieler. Seit 1998 ist er auch eine feste Stimme im Snooker – als Kommentator und Experte bei BBC Wales und TNT Sports. Mit seiner klaren Sprache, seinem Fachwissen und einem feinen Gespür für das Spiel begeistert er Zuschauer ebenso wie Kollegen. „Das Kommentieren gibt mir die Möglichkeit, Teil großer Turniere zu sein, ohne selbst zu spielen“, sagt er. „Ich hoffe, dass ich damit den Zuschauern helfen kann, das Spiel noch mehr zu genießen.“ Besonders viel gelernt habe er dabei von Größen wie Clive Everton und David Hendon.

Neben dem Snooker hat Dale noch weitere Leidenschaften. Er lebt in den Cotswolds, wo er regelmäßig läuft und wandert. Eine besondere Faszination gilt der Uhrmacherei – der „Horologie“. Auch hier möchte er künftig mehr Zeit investieren.

Wertschätzung, die bleibt

Was ihm besonders fehlen wird? Die Gemeinschaft unter den Spielern. „Es gibt diesen tiefen Respekt auf der Tour – wir alle wissen, wie viel Einsatz und Herzblut in diesem Sport steckt. Daraus entstehen enge Freundschaften.“ Dale war nie nur Mitspieler, sondern auch ein geschätzter Ratgeber – besonders wenn es um Cues und Tipps ging. Selbst Größen wie Jimmy White, John Higgins oder Mark Selby kamen zu ihm, wenn sie Rat brauchten oder ein neues Cue-Tip wollten.

„Als Kind habe ich Jimmy bewundert – dass er heute mich um Hilfe bittet, ist für mich unbegreiflich“, sagt Dale gerührt. Er hat sogar Whites Queue restauriert – kein Wunder, denn er ist auch ein passionierter Möbelschreiner, autodidaktischer French-Polisher und Holzliebhaber.

Erinnerungen einer Weltkarriere

Dale blickt dankbar zurück auf eine Karriere, die ihn rund um den Globus führte. Unvergessen bleibt ihm ein Besuch in Xi’an in China – mit dem beeindruckenden Anblick der Terrakotta-Armee. „Ich war an so vielen wunderbaren Orten. Und die Entwicklung des Spiels ist beeindruckend – das Niveau heute ist kaum mit früher zu vergleichen.“

Sein letztes Kapitel als aktiver Profi mag nun geschrieben sein – doch Dominic Dale bleibt dem Snooker erhalten: als Stimme, als Mentor, als Geschichtenerzähler. Und wer weiß – vielleicht zieht der Spaceman auch im Ruhestand noch seine Kreise.

Die großen Momente des Dominic Dale – Rückblick auf drei unvergessliche Turniere

Dominic Dale, der exzentrische Waliser mit Hang zur Dramatik und zur Farbe – nicht nur auf dem Kopf, sondern auch auf dem Snookertisch – hat in seiner langen Karriere viele bemerkenswerte Auftritte hingelegt. Drei davon stechen besonders hervor: drei Turniere, drei Etappen, die seinen Namen in der Snookergeschichte verankert haben.

Ein Sommermärchen in Bournemouth – Grand Prix 1997

Im Herbst 1997 war Dale auf dem Papier nur die Nummer 54 der Welt. Niemand rechnete damit, dass er beim Grand Prix in Bournemouth für Furore sorgen würde. Doch genau das tat er – live übertragen von der BBC, Schritt für Schritt, mit jedem Frame ein Stück näher zur Sensation.

Auf dem Weg ins Finale besiegte er zwei Schwergewichte des Sports: Steve Davis, der Inbegriff der 1980er-Dominanz, und Jimmy White, der Publikumsliebling. Doch das große Ausrufezeichen setzte er erst im Endspiel – ausgerechnet gegen John Higgins, einen Spieler, der selbst bereits damals zur Elite gehörte. Mit 9:6 triumphierte Dale und sicherte sich seinen ersten Ranglistentitel – eine Leistung, die nicht nur überraschend, sondern auch nachhaltig beeindruckend war.

Blondes Haar und pinkes Hemd – Shanghai Masters 2007

Zehn Jahre später, eine andere Bühne, ein anderes Land – aber erneut das große Finale. Beim allerersten Shanghai Masters 2007 in China schrieb Dale ein weiteres Kapitel seiner Erfolgsbiografie. Diesmal war es keine Überraschung mehr, sondern ein Beweis seiner Konstanz auf hohem Niveau.

Er eliminierte unter anderem Ken Doherty und Mark Selby – zwei Weltmeister – und traf im Endspiel auf seinen engen Freund Ryan Day. Nach einem 2:6-Rückstand kämpfte er sich mit einem fulminanten Lauf zurück, gewann schließlich mit 10:6 und krönte den Triumph mit einer modischen Pointe: Er hatte sich mitten im Turnier die Haare wasserstoffblond gefärbt und trug im Finale ein knallpinker Hemd – eine Kombination, die ebenso auffällig war wie sein Spielstil.

Sieg im Eiltempo – Shoot Out 2014

Dale war nie nur ein Mann für lange Matches. Seine Stärke lag auch in der Spontaneität, in der Intuition. Deshalb war das Shoot Out-Turnier wie für ihn gemacht. Im Jahr 2014 – noch bevor es zum offiziellen Ranglistenevent wurde – bewies er in Blackpool seine Klasse und seine Verbundenheit mit dem Publikum.

Im Finale besiegte er Stuart Bingham, späterer Weltmeister, und zeigte dabei nicht nur schnelle Denkprozesse, sondern auch einen feinen Instinkt für die richtige Entscheidung im richtigen Moment. Der Saal tobte, und Dale genoss jede Sekunde davon – ein Entertainer mit Kö.

Feuertaufe im Crucible – Debüt 1997

Sein erster Auftritt im legendären Crucible Theatre in Sheffield hätte nicht dramatischer verlaufen können. Viele große Namen scheiterten bei ihrer Premiere an der Wucht des Ortes – nicht so Dale. In einem nervenaufreibenden Duell gegen den explosiven Tony Drago setzte er sich mit 10:9 durch.

„Ich wusste nicht, ob mich die Atmosphäre übermannen würde“, erinnert sich Dale. „Ich hatte die WM jahrelang im Fernsehen verfolgt – die Vorfreude ist enorm, das Theater eng, der Erwartungsdruck gewaltig.“ Drago, damals ein etablierter Top-16-Spieler, war der denkbar gefährlichste Gegner – schnell, aggressiv, unberechenbar.

Dale kämpfte sich durch, doch bei 8:9 schien das Aus besiegelt. Drago war im Begriff, den Frame zu gewinnen – bis er auf die letzte Schwarze kam. Dale sah den Stoß nicht einmal, weil Drago mit dem Körper den Blick versperrte. Doch plötzlich hörte er nur ein kollektives „Oooh“ aus dem Publikum. Drago hatte verschossen.

Wütend schlug Drago sein Queue auf den Tisch nebenan – die Kameras hielten alles fest, und Dale nutzte seine Chance: Ein schwieriger schwarzer Ball zur Mitte – getroffen! 9:9. Im Entscheidungsframe waren beide Spieler nervös, doch Dale behielt die Oberhand. Jahre später sah er sich die Szene noch einmal an: Als Drago mit Blick zur Kamera fluchte – „Wie zum **** konnte ich diese Schwarze verhauen?!“ – wurde aus Erinnerung Geschichte.

Von Glanz, Gesang und einem zerbrochenen Queue – Snooker-Geschichten à la Dominic Dale


Manchmal sind es nicht nur Siege und Titel, die eine Karriere unvergesslich machen. Manchmal ist es der Weg dorthin – voller Kuriositäten, voller Rückblicke auf Momente, in denen der Sport fast zur Nebensache wurde. Dominic Dale hat von all dem reichlich erlebt: dramatische Comebacks, legendäre Siege – und Anekdoten, wie sie nur jemand mit seinem Sinn für Theatralik erzählen kann.

13:1 gegen David Gray – ein Rekord für die Ewigkeit

Im Jahr 2000 stand Dale in der zweiten Runde der Weltmeisterschaft David Gray gegenüber – einem soliden, gefährlichen Gegner, der in Runde eins niemand Geringeren als Ronnie O’Sullivan mit 10:9 rausgeworfen hatte. Was dann geschah, war eine der größten Demontagen in der Geschichte des Crucible: Dale gewann mit 13:1 – ein Rekordergebnis, das nur vier weitere Male in dieser Runde erreicht wurde.

„Das war eines meiner besten Matches überhaupt“, erinnert sich Dale. „Lustigerweise hätte ich auch noch den einen Frame holen können, den ich verloren habe. Ich ging etwas zu gierig an den ersten roten Ball, verfehlte knapp – und David lochte eine 82. Ansonsten lief alles perfekt. Wenn man in so einen Rausch gerät, fühlt sich Snooker ganz leicht an.“

Fast den Falken gezähmt – das epische Viertelfinale 2014

Dale war kein Stammgast in den späteren Runden der WM, aber wenn er dort auftauchte, wurde es nie langweilig. 2014 stand er zum zweiten Mal im Viertelfinale, diesmal gegen Barry Hawkins. Nach einem 5:11-Rückstand schien alles gelaufen – doch Dale startete eine beeindruckende Aufholjagd und drehte das Match mit sieben Frames in Folge auf 12:11. Der Sieg schien greifbar, bis zwei kleine Sicherheitsfehler ihn ins Straucheln brachten – Hawkins nutzte die Gunst des Moments und gewann 13:12.

Ein Match gegen Jimmy – und ein zertrümmertes Queue

Nicht jeder Crucible-Besuch von Dale war von Erfolg gekrönt. Vor dem Erstrundenduell gegen Jimmy White im Jahr 2000 hatte er noch einen Fan im Krankenhaus besucht – einen kranken Jungen, der Snooker liebte. Aus Mitgefühl aß Dale das Essen des Jungen – keine gute Idee. Am nächsten Tag war er ans Bett gefesselt – Lebensmittelvergiftung.

Er trat dennoch an, spielte miserabel und verlor 2:10. Wütend über seine Leistung fasste er einen Entschluss: „Ich wollte das Queue wechseln und dachte mir, ich brech das alte einfach durch. Also stellte ich es an die Wand und trat mit einem Karate-Kick dagegen – zack, durch. Ich warf die Stücke aus dem Fenster in den Garten.“

Die chaotische Fahrt nach York – ohne Navi, dafür mit Oper

Auch abseits des Tisches war Dale nicht immer auf Kurs. Auf dem Weg zur UK Championship 2001 fuhr er statt nach Norden stundenlang Richtung Süden. „Ich hatte mir eine Corelli-CD eingelegt und sang fröhlich vor mich hin. Irgendwann las ich ‚Banbury‘ auf einem Schild – da wurde mir klar, ich war komplett falsch. Statt Richtung York war ich auf dem Weg zurück nach London.“

Am Ende war er über 500 Meilen unterwegs, kam um vier Uhr morgens in York an – Stunden später, aber umso entschlossener.

Sinatra, Stimmbänder und Snooker – ein Mann, viele Talente

Dominic Dale ist nicht nur Snookerspieler – er ist auch Opernliebhaber und Hobbysänger. Nach seinem Sieg beim Shanghai Masters ließ er es sich nicht nehmen, in der Pressekonferenz ein paar Zeilen von „My Way“ à la Frank Sinatra zum Besten zu geben – stilecht im tiefen Bariton.

„Singen ist wie Muskelarbeit – wenn man pausiert, bauen die Stimmbänder ab. Die Technik bleibt, aber die Kraft verschwindet. Und wenn Rachel Casey oder Jimmy White im Studio sagen: ‚Sing mal was!‘, bekomme ich Panik. Ich schaffe höchstens ein paar Takte.“

FAQ

Was war Dominic Dales deutlichster WM-Sieg?

Sein klarster Sieg bei einer Weltmeisterschaft war 2000 ein 13:1 gegen David Gray – ein bis heute geteilter Rekord für die zweite Runde.

Gegen wen verlor Dale sein dramatischstes Crucible-Match?

Im Viertelfinale 2014 unterlag er Barry Hawkins knapp mit 12:13, nachdem er zuvor sieben Frames in Folge gewonnen hatte.

Warum zerbrach Dale einst sein Queue?

Nach einer bitteren 2:10-Niederlage gegen Jimmy White und einer vorherigen Lebensmittelvergiftung zertrat er sein Queue aus Frust und warf die Reste aus dem Fenster.

Hat Dominic Dale wirklich mal Oper gesungen?

Ja – nach seinem Turniersieg beim Shanghai Masters sang er bei der Pressekonferenz „My Way“ von Frank Sinatra im Bariton.

Was war Dales größter Navigationsfehler?

Auf dem Weg zur UK Championship 2001 fuhr er statt Richtung Norden aus Versehen Richtung London zurück und legte über 500 Meilen zurück, bevor er schließlich in York ankam.

Informationsquelle: wst . tv

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