Daniel Wells und der lange Weg ins Crucible
17 Jahre. Solange dauerte es, bis Daniel Wells sich einen Platz im Crucible Theatre erkämpfte – jenem Ort, der in der Snookerwelt fast mythischen Status besitzt. Für viele ist er das Herz des Spiels. Für Wells war er lange nur ein ferner Traum. Doch als er diesen Frühling endlich dort stand, zwischen Kamera und Publikum, unter Scheinwerferlicht und Druck, wurde klar: Manchmal braucht es die längste Reise, um am richtigen Ort zu landen.
Ein Nervenkrimi gegen Gary Wilson – und der Durchbruch nach Jahren des Zweifelns
Sein Einzug ins Crucible war alles andere als ein Selbstläufer. In der letzten Qualifikationsrunde traf Wells auf Gary Wilson – einen Gegner, der ihn in der Vergangenheit immer wieder gefordert hatte. Wells führte scheinbar komfortabel mit 6:2, doch innerhalb kürzester Zeit glich Wilson aus: 6:6.
„Er kam aus der Kabine wie ein D-Zug. Und plötzlich war alles wieder offen. Es war wie ein Kampf ums Überleben“, erinnert sich Wells.
Die beiden hatten in der laufenden Saison bereits drei Entscheidungsframes gegeneinander gespielt – immer mit hauchdünnen Ausgängen. Diesmal stand für Wells jedoch mehr auf dem Spiel: eine Premiere im Crucible, ein Kapitel, das er nach all den Jahren endlich aufschlagen wollte.
Als er schließlich mit 10:9 gewann, brach alles aus ihm heraus. „Ich habe mich komplett verloren. Es war ein Moment der totalen Erschöpfung und tiefen Freude“, erzählt er. „Ich habe mich gefragt: Komme ich überhaupt noch jemals dorthin? Und jetzt war es passiert. Endlich.“
Premiere unter Flutlicht – und eine Lektion in Weltklasse von Shaun Murphy
Der Auftakt im Crucible selbst? Ein emotionales Wechselbad. Einerseits Stolz, andererseits Ernüchterung. Denn ausgerechnet Shaun Murphy wartete in Runde eins – ein Spieler, der bereits Weltmeister war und regelmäßig seine Gegner in Grund und Boden spielt.
„Ich wollte fokussiert bleiben. Nicht einfach nur da sein, sondern gewinnen“, sagt Wells. „Aber Shaun war unfassbar gut. Es war fast schon surreal. Ich habe gut gespielt – und trotzdem war ich chancenlos.“
Mit 10:4 unterlag der Waliser deutlich. Und doch zog er mehr Kraft als Enttäuschung aus dem Duell. „Shaun hat mir die Augen geöffnet. Ich dachte immer, mein Niveau sei gut – aber gegen jemanden wie ihn merkt man: Es reicht nicht. Man darf sich nichts erlauben.“
Für Wells war es eine Mahnung und Motivation zugleich. „Wenn ich wirklich ganz nach oben will, muss ich mich noch einmal ganz neu erfinden. Präziser. Konstanter. Fehlerlos.“
Zwischenzeitlich am Boden: Wie ein Lied im Radio alles veränderte
Dass Daniel Wells überhaupt noch spielt, ist keine Selbstverständlichkeit. Nach dem Verlust seines Tour-Status im Jahr 2021 zog er sich vorübergehend zurück – und arbeitete in der Reinigungsfirma seiner Mutter.
„Ich war in einem heruntergekommenen Haus in Ammanford, ganz allein. Es stank, die Wände waren gelb von Nikotin. Dann lief dieser Song im Radio – Better Days Are Coming von Dermot Kennedy“, erinnert er sich. „Ich habe angefangen zu weinen. Es war ein Tiefpunkt, wie ich ihn vorher nicht kannte.“
Doch genau dieser Moment wurde zum Wendepunkt. „Es hat mich geerdet. Ich war nie zu stolz für harte Arbeit. Aber da habe ich gemerkt, wie sehr ich Snooker liebe – und dass ich noch nicht fertig bin.“
Ein Jahr später kehrte er zurück. Und im Frühjahr 2024 stand er im Crucible Theatre.
Eine Naturkatastrophe – und ein neuer Blick aufs Leben
Im Sommer gönnte sich Wells eine Auszeit. Sonne, Meer, Familienzeit auf Rhodos. Doch selbst dort ließ ihn das Leben nicht ganz zur Ruhe kommen: In der letzten Nacht seines Urlaubs erschütterte ein Erdbeben die Insel.
„Es war 2 Uhr morgens. Meine Frau weckte mich, weil alles wackelte. Das Bett, der Boden, die Wände“, berichtet er. Im ersten Schreck dachte er an einen Tsunami – und tatsächlich: Auf dem Handy tauchte eine Warnung auf.
„Verlassen Sie sofort die Küstengebiete.“
Wells rannte zur Rezeption. Dutzende Urlauber standen draußen, voller Ungewissheit. Am Ende blieb die Katastrophe aus, aber das Erlebnis hallt nach. „Es hat mir wieder gezeigt, wie zerbrechlich alles ist. Und wie wichtig es ist, das zu tun, was man liebt.“
„Ich bin 36 – aber ich habe noch nicht fertig.“
Mit 36 Jahren ist Daniel Wells kein junger Hüpfer mehr auf der Tour – aber er ist so hungrig wie eh und je. „Ich habe das Gefühl, mein bestes Snooker liegt noch vor mir“, sagt er. „Ich weiß, was ich tun muss. Ich habe keine Angst vor Arbeit. Ich habe keine Angst vor Rückschlägen. Ich will nur wissen: Wie weit kann ich es noch bringen?“
Sein Ziel ist nicht mehr, einfach nur dabeizusein. Es geht ihm um Tiefe, um Qualität, um das ständige Streben nach Verbesserung. Vielleicht ist genau das das Geheimnis seines späten Durchbruchs – nicht der größte Ball, nicht das höchste Break, sondern die Fähigkeit, immer weiterzumachen.
Weil er weiß, was es bedeutet, nichts mehr zu haben. Und wie viel es wert ist, wieder alles zurückzubekommen.
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FAQ – Häufig gestellte Fragen zu Daniel Wells und seinem Crucible-Debüt
Wer ist Daniel Wells?
Daniel Wells ist ein professioneller Snookerspieler aus Wales. Nach 17 Jahren auf der Tour schaffte er 2024 erstmals die Qualifikation für die Snooker-Weltmeisterschaft im legendären Crucible Theatre.
Wie verlief seine Qualifikation für das Crucible?
Wells qualifizierte sich in einem dramatischen 10:9-Sieg gegen Gary Wilson. Der Entscheidungsframe war für ihn emotional sehr belastend und markierte einen der größten Momente seiner Karriere.
Wie schlug sich Wells bei seinem Crucible-Debüt?
In der ersten Runde traf er auf Ex-Weltmeister Shaun Murphy. Trotz guter Leistung verlor er mit 10:4, zog aber wichtige Lehren daraus und erkannte, welches Niveau nötig ist, um an der Spitze mitzuhalten.
Was machte Daniel Wells während seiner Zeit außerhalb der Snooker-Tour?
Nach dem Verlust seines Profistatus 2021 arbeitete Wells in der Reinigungsfirma seiner Mutter. Ein besonders emotionaler Moment während dieser Zeit motivierte ihn, zum Snooker zurückzukehren.
Warum war ein Song im Radio für ihn so bedeutend?
Während der Arbeit in einem stark vernachlässigten Haus hörte er den Song „Better Days Are Coming“ im Radio. Dieser Moment, verbunden mit seinen Lebensumständen, rührte ihn zu Tränen und wurde zum Wendepunkt.
Was geschah während seines Urlaubs auf Rhodos?
Am letzten Urlaubstag erlebte Wells ein starkes Erdbeben mit 6,2 auf der Richterskala. Eine Tsunami-Warnung löste große Panik aus, blieb aber zum Glück folgenlos. Das Erlebnis prägte seinen Blick auf das Leben.
Was sind Daniel Wells’ Ziele für die Zukunft?
Trotz seines Alters von 36 Jahren möchte Wells sich weiter verbessern, seine Leistung steigern und sehen, wie weit er es auf der Profibühne noch bringen kann. Der Crucible war nur der Anfang.