Snooker-Technik im Wandel: Ist die Titan-Ferrule die bessere Wahl?

Titan statt Messing – Wie ein kleines Metallteil das Snooker verändert

Im Snooker entscheidet oft ein Millimeter über Sieg oder Niederlage. Es ist ein Spiel der Feinfühligkeit, der Intuition – aber auch der Technik. Und wie so oft im Sport kann eine kleine Veränderung an der Ausrüstung plötzlich alles verändern. In den letzten Jahren setzen immer mehr Top-Spieler auf eine unscheinbare, aber hochwirksame Neuerung: Sie ersetzen die traditionelle Messing-Ferrule an ihrem Queue durch ein Bauteil aus Titan.

Was auf den ersten Blick wie eine technische Randnotiz erscheint, hat in Wirklichkeit das Potenzial, das Spiel grundlegend zu verändern – zumindest für jene, die bereit sind, sich auf Neues einzulassen.

Die Ferrule – unscheinbar, aber entscheidend

Wer nicht tief im Thema steckt, für den ist die Ferrule kaum mehr als ein kleines Stück Metall an der Spitze des Queues. Doch genau hier entscheidet sich viel: Die Ferrule stabilisiert die empfindliche Holzspitze des Queues und nimmt den Druck beim Stoß auf. Gleichzeitig beeinflusst sie direkt das Verhalten des Spielballs, vor allem wenn mit Seiteneffet gespielt wird – ein zentrales Element im modernen Snooker.

Seit den 1920er Jahren ist Messing der Standard. Damals – genauer gesagt 1924 – wurde es von Tom Newman erstmals eingesetzt. Die robuste Messing-Ferrule schützte das Queueholz zuverlässig vor dem Aufsplittern. Schnell wurde sie zum Standard und dominierte das Spiel über Jahrzehnte.

Der Ruf nach Präzision: Titan auf dem Vormarsch

Doch bei der Verwendung von Seiteneffet – also dem bewussten Anschneiden des Spielballs – kommt es zur sogenannten Deflection. Das bedeutet, dass der Ball in eine leicht andere Richtung läuft als beabsichtigt. Gute Spieler lernen mit der Zeit, diesen Effekt einzukalkulieren. Titan, als deutlich leichteres Material, kann diesen Effekt minimieren oder sogar ausschließen – was zu präziserem Spiel führt.

Neil Robertson: Neue Kontrolle durch neues Material

Der Australier Neil Robertson entschied sich 2023 für den Wechsel. Direkt danach erreichte er das Finale beim World Grand Prix in Hongkong und dominierte Stuart Bingham mit 10:0. Er beschrieb das Spielgefühl als „völlig anders“ – das Queue reagierte exakter, kontrollierter, vor allem bei langen Bällen mit Spin.

Ein beschädigtes Messingteil als Wendepunkt

Bei der Umrüstung stellte Techniker Stuart Green fest, dass Robertsons alte Messing-Ferrule beschädigt war – ohne dass Robertson es bemerkt hatte. Die Ablenkung beim Stoß war extrem, der Spieler hatte sich daran gewöhnt. Mit Titan fiel das plötzlich weg – ein Aha-Moment, der für Robertson fast wie eine Wiedergeburt seines Spiels wirkte.

John Higgins: Früh umgestiegen, überzeugt geblieben

Auch John Higgins erinnert sich an den Moment, als er erstmals mit einer Titan-Ferrule spielte. „Stephen Maguire hatte eine – und ich war beeindruckt, wie viel Wirkung er aus dem Ball holen konnte.“ Seitdem spielt auch Higgins mit Titan – und will nie wieder zurück. Der gleichbleibende Durchmesser über Jahre hinweg sei für ihn ein entscheidender Vorteil gegenüber Messing, das sich mit der Zeit abnutzen könne.

Der Kopf hinter der Innovation: Drew Colgrave

Die kommerzielle Markteinführung der Century Titanium Ferrule begann 2018 mit Drew Colgrave. In Zusammenarbeit mit der Universität Sheffield und Ingenieuren entwickelte er eine Titan-Ferrule mit besonderen Eigenschaften. Dank eines geheimen Herstellungsverfahrens soll sie nicht nur Deflection reduzieren, sondern auch maximale Spin-Kontrolle ermöglichen – ohne sich jemals zu verformen.

Trotzdem nicht für alle geeignet

Snooker bleibt ein Sport des Gefühls. Nicht jeder Spieler kommt mit Titan zurecht. Shaun Murphy bevorzugt nach Tests weiterhin Messing, Barry Hawkins hat Titan noch nie ausprobiert, und Stephen Maguire ist sogar wieder zurückgewechselt. Grund: Das individuelle Spielgefühl kann durch das neue Material gestört werden – gerade bei Spielern mit jahrzehntelanger Erfahrung.

Ken Doherty: Die Sicht eines Traditionalisten

Ken Doherty, Weltmeister von 1997, spielt weiter mit Messing – aus Gewohnheit. Doch er versteht den Wandel: „Wäre ich heute 20, ich würde Titan ausprobieren.“ Snooker habe sich stark entwickelt – durch neue Tücher, bessere Kreide, präzisere Bälle. Warum also nicht auch bei der Ferrule innovativ sein?

Was Experten sagen: Testen, bevor man umbaut

Stuart Green empfiehlt Spielern, neue Ferrulen zunächst mit einem Ersatzqueue zu testen. „Wenn man gleich sein Hauptqueue umbaut und es einem dann nicht gefällt, wird es kompliziert.“ Der Rückbau ist technisch anspruchsvoll, oft passt die alte Ferrule nicht mehr richtig. Sein Rat: „Wenn’s nicht kaputt ist – reparier es nicht.“

Fazit: Titan ist eine Chance, kein Muss

Titan-Ferrulen sind kein Allheilmittel. Aber sie bieten eine faszinierende Möglichkeit für Spieler, die ihr Spiel auf ein neues Niveau heben wollen. Der Trend ist nicht aufzuhalten – und Snooker entwickelt sich weiter. Doch ob Titan oder Messing: Am Ende zählt das Gefühl, das Vertrauen – und die Entscheidung, was für den eigenen Stil das Beste ist.

FAQ – Häufige Fragen zu Titan-Ferrulen im Snooker

Was ist eine Ferrule im Snooker?
Die Ferrule ist das Metallstück direkt unter dem Leder an der Spitze eines Snooker-Queues. Sie stabilisiert das Holz und beeinflusst das Verhalten des Spielballs beim Stoß.

Warum nutzen Spieler Titan statt Messing?
Titan ist leichter als Messing und verursacht weniger Deflection (Ablenkung). Das kann zu präziserem Spiel führen, besonders bei Effet-Stößen. Außerdem nutzt sich Titan nicht ab und behält seine Form.

Ist eine Titan-Ferrule für jeden Spieler sinnvoll?
Nicht unbedingt. Spieler mit viel Erfahrung auf Messing müssen sich umgewöhnen. Für manche ist das Spielgefühl mit Titan zu hart oder ungewohnt. Deshalb wird empfohlen, Titan zuerst mit einem Ersatzqueue zu testen.

Was kostet der Umbau auf eine Titan-Ferrule?
Die Kosten variieren je nach Anbieter und Land, bewegen sich aber in der Regel zwischen 80 und 150 Euro inklusive Material und fachgerechtem Einbau.

Welche Profis spielen mit Titan-Ferrule?
Zu den bekanntesten gehören Neil Robertson, John Higgins, Kyren Wilson und Mark Allen. Andere wie Shaun Murphy oder Barry Hawkins bevorzugen weiterhin Messing.

Wie lange hält eine Titan-Ferrule?
Bei ordentlicher Pflege kann sie viele Jahre halten. Sie verformt sich nicht und bleibt im Durchmesser konstant – ein großer Vorteil gegenüber Messing.

Lässt sich eine Titan-Ferrule wieder durch Messing ersetzen?
Nicht ohne weiteres. Der Umbau ist technisch aufwendig und kann zu Passproblemen führen. Daher sollte die Entscheidung gut überlegt und vorher getestet werden.

Informationsquelle: wst . tv

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