Die China Opens sind aber keine WMs – Snooker Turniere
Europa ist nicht genug, nicht für Barry Hearn. Schon während des Snooker-Booms Mitte der Achtziger machte sich der Promoter Gedanken, wie er den Markt von der britischen Insel weg erweitern könne. Asien geriet in sein Blickfeld, genauer gesagt China, Hongkong und Thailand, weil Hearn sich sicher war, dass Snooker eine Sportart ist, die Asiaten lieben könnten.
In der Saison 1989/90 fand mit den Hong Kong Open zum ersten Mal ein Main-Tour-Turnier auf asiatischem Boden statt. Mehr aus Zufall, weil kurzfristig ein Ersatz für die abgesagten Australian Open her musste, doch der Anfang war gemacht. Wenig später folgte die Erstausgabe der Asian Open (später Thailand Open und Thailand Masters), die mit James Wattana der Lokalmatador gewann. Peking, Shanghai und Shenzhen haben bereits die China Open ausgetragen, hinzu kommen das Wuxi Classic, das Shanghai Masters sowie – einige Kilometer weiter westlich und erst seit 2013 im Kalender – die Indian Open, das erste Ranglistenturnier, das in Indien ausgetragen wird. Seit einigen Jahren hat China England als wichtigsten TV-Markt im Profisnooker abgelöst, über 50 Millionen Chinesen, so Schätzungen, sollen dem Sport nachgehen.
Am Boom beteiligt ist zweifellos Ding Junhui, der schüchterne Chinese, der 2005 mit 18 Jahren die China Open gewann. Barry Hearn muss von tiefer Befriedigung erfüllt gewesen sein, als er die damaligen Einschaltquoten vernahm: Mehr als 100 Millionen Chinesen verfolgten das Finale, das Ding gegen den mehrfachen Weltmeister Stephen Hendry gewann. Nervenlos war Ding damals beim Stand von 5:5 davongezogen, er holte jeden der nun folgenden vier Frames, den letzten sogar mit einem Century, 106 Punkte. Das Publikum in der Halle erhob sich vor Begeisterung, sogar dem stets in sich gekehrten Ding glückte so etwas wie eine Jubelgeste. Um ihre Popularität musste sich die Sportart fortan keine Gedanken mehr machen. Die Leute in China liebten Snooker, erklärt Ding. Dass Shanghai weltweit die Stadt mit den meisten Snookerhallen ist, darf als Indiz dafür gelten. Man sieht 13- oder 14-Jährige immer wieder 130er-Breaks spielen, sagte auch Marco Fu, ein weiterer Spitzenspieler. China werde eine Macht im Snooker, daran gäbe es keinen Zweifel.
Bei den europäischen Spielern sind die Turniere in Fernost indes mäßig beliebt, auch aufgrund der langen Reisen, und es ging einigen mit der Zeit auf die Nerven, dass asiatische Geschäftsleute glaubten, sich mit ihrem Geld alles leisten zu können. Als mitten in der britischen Snookerkrise in den Jahren 2008 bis 2010 die Idee aufkam, die Weltmeisterschaft von Sheffield nach Dubai oder China zu transferieren, um mehr Geld zu erlösen, sagte der damalige Verbandschef Rodney Walker: Die Realität, die nicht jeder begreift, ist, dass China und erst recht Dubai sehr tiefe Taschen haben, tiefer als Sheffield. Man könne die Popularität dieses Sport in China nicht ignorieren. Doch bislang ist der Weltverband, was die WM angeht, dem Ruf des Geldes noch nicht erlegen.