Wieso ist die weiße Kugel im Snooker Freund des Spielers
Die Formulierung stammt aus dem lesenswerten Snookerportal Der intelligente Weg zum Spiel von Snooker-Bundestrainer Thomas Hein und Eurosport-Kommentator Rolf Kalb, und sie betrifft die weiße Kugel, den Spielball. Die sei nicht einfach nur dazu da, um die roten und farbigen Bälle in die Taschen zu schubsen, sprich: die Befehle des Spielers auszuführen. Hein und Kalb empfehlen, den Spielball vielmehr als kleinen weißen Freund37 zu betrachten. Ihm durchaus menschliche Attribute zuzuschreiben, von ihm zu lernen, ja: ihm zuzuhören.
Die weiße Kugel ist beim Snooker von gewinnbringender Bedeutung. Sie ist in jeden Stoß auf dem Tisch involviert, anders als die Farben oder roten Kugeln. Auch ist ihre Arbeit nach dem Kontakt mit dem Objektball nicht beendet, sie fallt in kein Loch (hoffentlich), wird auch auf keinen Spot gesetzt. Der Weg, den die weiße Kugel nach dem Kontakt nimmt, ist für den kurz- und mittelfristigen Verlauf des Spiels von entscheidender Bedeutung. Geschwindigkeit und Drall bestimmen, welchen Weg Weiß absolviert und wo Weiß liegen bleibt – und ob die Position auf die nächste zu spielende Kugel am Ende eine gute ist oder nicht. Der Spielball spielt die entscheidende Rolle beim Breakbuilding: Wie soll der übernächste Stoß verlaufen? Welche Optionen habe ich fünf Stöße später? All das hängt damit zusammen, wie es um das Gefühl des Spielers für die weiße Kugel bestellt ist.
Gleich zum Spielbeginn, beim Eröffnungsstoß, spielt Weiß eine Hauptrolle. Theoretisch wäre es möglich, aus dem Pulk heraus direkt eine Rote zu lochen, doch selbst die Topprofis spielen fast immer eine Safety, weil alle anderen Optionen viel zu riskant erscheinen. Aus dem weißen Halbkreis heraus visiert der Spieler eine der beiden äußeren, hinteren Roten an (links oder rechts). Ist die linke Rote die Kugel der Wahl, wird Weiß mit Linkseffekt gespielt. Nach dem minimalen Kontakt, der den Pulk der Roten weitgehend zusammenhält, macht sich Weiß auf den Weg, über die kurze Kopfbande links zur langen Bande, von dort einmal quer über den Tisch, zwischen Pink und Blau hindurch, zur gegenüberliegenden langen Bande. Dies ist der letzte Kontakt, von hier verschwindet Weiß – wenn das Timing stimmt – hinter den kleinen Farben Gelb, Braun oder Grün. Dem Gegner soll, wenn überhaupt, nur ein langer Einsteiger angeboten werden, am besten aber gar keine Position, um eine Kugel lochen zu können.
Hat ein Spieler ins Spiel gefunden und sind alle freien Roten vom Tisch, folgt der nächste große Auftritt von Weiß: Ein Split steht an, was bedeutet, dass Weiß die verbliebenen roten Kugeln, die noch immer im Pulk verharren, auseinandertreibt. So ein Split kann wunderbar verlaufen, sodass anschließend viele lochbare Rote auf dem Tisch liegen. Oder auch furchtbar schiefgehen. Es hilft, wenn ein Split rechtzeitig gespielt wird, und nicht im letzten Moment. Auch ist es ratsam, den Split aus dem Kontakt mit einer Farbe zu spielen, da anschließend ja eine Rote gelocht werden soll. Wie ein Split wirklich verläuft, hat auch mit Glück zu tun, da aufgrund der vielen Wechselreaktionen der Roten untereinander vor dem Split keine genaue Vorhersage möglich ist, wie sich das Bild auf dem Tisch nach dem Split verhält. Auch Profis sind hierbei auf Glück angewiesen. Misslingt der Split, bleibt oft nur noch eine Safety.
Für all diese Maßnahmen ist das Gefühl des Spielers für seine weiße Kugel entscheidend. Spieler sollten nicht versuchen, die Gesetze der Physik zu sprengen, den Ball nicht in Positionen zwingen, die er gar nicht erreichen kann. Wer dem weißen Ball zu viel zumutet, wird Probleme beim Breakbuilding haben. Wer ihm indes zuhört, ihn in seine Entscheidungen mit einbezieht, der hat mehr Aussicht auf ein erfolgreiches Break.