Wieso haben alle Snookerspieler gleichen Dress-Code
Schwarze Hose, Hemd und Weste, schwarze Schuhe, dazu eine Fliege: Snookerspieler gehören zu den am besten gekleideten Sportlern der Welt, wer würde da widersprechen? Sogar die Regeln schreiben den feinen Zwirn vor, was illustrieren soll, dass Snooker kein Sport für Jedermann ist. Sondern für die feinen Herren.
Dieses Gerede vom Gentlemens Sport birgt eine Menge Spottpotenzial, abgesehen davon, dass Frauen bei dieser Definition gar nicht berücksichtigt werden (wie wäre es mit ladylike?). Snooker sei etwas für abgehobene Schnösel, heißt es dann von bodenständigen Billardspielern, die sich als echte Arbeiter sehen. Abgehoben wie früher, als das Spiel fast ausschließlich in den Offizierscasinos beim Militär gespielt wurde. Doch die Etikette wird bis heute eingehalten, was der Atmosphäre bei großen Turnieren eine gewisse Noblesse verleiht. Ein piekfein gekleideter Mann (gerne auch eine Frau) steht in einem Ballsaal an einem Tisch und tätigt mit ernstem Gesicht vor mucksmäuschenstillen Zuschauern auf einem Kammgarntuch einen Stoß – ja, das ist Snooker.
Nicht jeder dieser feinen Herren ist für sich gesehen eine Schönheit, doch das macht nichts. In der Gemeinschaft wirken sie wie eine Gruppe Kavaliere, die sofort alle Blicke auf sich ziehen. Die Spieler sind viel besser gekleidet als ihr Publikum; getoppt werden sie nur vom Schiedsrichter, einer hochseriösen Persönlichkeit, die mit der Erhabenheit eines Wächters vor dem Buckingham Palace die Zwischenstände durchgibt und die Zuschauer zur Ruhe mahnt (quiet, please). Der Referee trägt bei großen Turnieren einen Smoking. Die Bälle berührt er mit weißen Glacéhandschuhen.
Im Regelwerk wird die Wichtigkeit der Etikette mehrfach erwähnt. Verhält sich ein Spieler nach Meinung des Schiedsrichters absichtlich oder beharrlich unfair oder anderweitig nicht gentle-manlike, darf ihn der Schiedsrichter bestrafen. So wird erwartet, dass ein Spieler einen Verstoß, und sei es nur das Berühren eines Balls mit dem Hemdärmel, unverzüglich meldet, sollte er dem Referee entgangen sein. Überhaupt sind Correctness und Contenance von gehobener Wichtigkeit. Es wird weder ekstatisch gejubelt (obwohl eine geschwungene Faust nach einer 147 okay ist), noch die eigene Enttäuschung zur Schau gestellt. Ein Versuch, die strengen Kleidervorschriften zu lockern, wurde 2004 nach nur einem Jahr wieder revidiert, seitdem müssen die Profis bei Turnieren wieder zwingend eine Fliege tragen. Nur wenige Spieler sind von dieser Pflicht befreit, etwa Stephen Maguire, der ein ärztliches Attest wegen einer Kehlkopferkrankung vorlegen konnte.
All dies hat zum Effekt, dass jene Spieler, die sich nicht ganz an die Etikette halten, besonders auffallen – und vom Publikum geliebt werden. Extrovertierte Kerle wie Alex Higgins oder Ronnie O’Sullivan waren oder sind Zugpferde, wegen denen die Zuschauer kommen, und sei es nur, weil sie sehen wollen, in welcher Form sie als Nächstes gegen die strengen Vorschriften verstoßen. O’Sullivan etwa zog bei der WM 2015 unter einigen Aahs und Oohs seine Lackschuhe aus und spielte auf Socken weiter, weil er sich den Fuß verknackst hatte. Das Fernsehen filmte genüsslich, doch Turnierdirektor Mike Ganley konnte das nicht mit ansehen: Er half O’Sullivan mit seinen eigenen Tretern aus.
Bei den Frauen wird die Sache mit dem Dresscode etwas weniger streng gesehen. Elegante Abendkleidung ist ebenso zulässig wie ein klassisches Snooker-Outfit mit Hemd und Weste, aber ohne Fliege. Blusen dürfen kurzärmelig sein, Westen auch mal bunt. Auch Make-up ist gern gesehen (nur nicht zu dick aufgetragen). Die Spielerinnen sollen ein Outfit wählen, das ihre individuelle Persönlichkeit widerspiegelt- so die Idee.
Datum: 24.09.2020